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Vilnius |
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Überall in den Metropolen der Welt herrscht an Hauptbahnhöfen ein geschäftiges Treiben. Das ist auch in Vilnius nicht anders, der Hauptstadt Litauens mit knapp 550.000 Einwohnern. Davon sind knapp 60 % Litauer, gut 19 % Polen und ebenfalls 19 % Russen und Weißrussen. Entsprechend multi-kulti stellen wir uns diese Stadt vor, und wir werden nicht enttäuscht. Auch in Vilnius haben wir ein weiterhin schon fast unverschämt gutes Wetter. Wir müssen wohl den Hauptgewinn gezogen haben, als es darum ging, in diesem Sommer die Sonnentage aufzuteilen. Karl-Heinz hat von
einem Bekannten die Adresse von einem jungen Mann bekommen, der uns
hier in Vilnius bei der Suche nach günstigen Quartieren eventuell
weiterhelfen kann, und er versucht, ihn telefonisch zu erreichen. Der
junge Mann ist aber just an diesem Tage Vater geworden, also in Eile,
weil er direkt ins Krankenhaus fahren muss. Er gibt uns noch schnell
einen Tipp und schlägt vor, uns am nächsten Tag nach dem Besuch
im Krankenhaus zu treffen. |
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Es ist schon ein besonderes Erlebnis, sich mit
dem Fahrrad durch diese Stadt zu bewegen. Auch gibt es hier extra ausgewiesene
Fahrspuren, die allerdings nicht von sehr vielen Radlern genutzt werden.
Wir scheinen fast die Einzigen zu sein, die sich auf Drahteseln durch
die Stadt wagen. Überhaupt haben wir in Litauen nur sehr wenige einheimische
Radfahrer gesehen. Darauf angesprochen sagen uns die Litauer, dass es
eben bequemer ist, mit dem Auto zu fahren. Hier in der Innenstadt haben
wir es fast ausnahmslos mit Fußgängern zu tun, gelegentlich
kommt uns jedoch auch ein Auto entgegen. Entsprechend Aufsehen erregen
wir, die schwer bepackt durch die Hauptstadt des Landes radeln. Man spricht
uns sogar tags darauf in einem Geschäft in der City auf unsere Räder
an, obwohl wir zu der Zeit zu Fuß unterwegs sind!! Unser erster Versuch, eine Herberge mitten in der Stadt zu finden, ist noch nicht von Erfolg gekrönt, jedoch schon ein paar hundert Meter weiter, mitten in der Fußgängerzone, bekommen wir in der Pilies gatve vom Hotel Atrium ein so verlockendes Angebot, dass wir uns spontan entschließen, es wahrzunehmen. Für umgerechnet 34 Euro pro Person bekommen wir zwei Doppelzimmer inklusive Frühstück. Das ganze nennt sich dann Wochenend-Discount. |
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Schon kurze Zeit später sitzen wir mitten in der Stadt vor unserem Hotel in einem Straßencafe und genießen die At-mosphäre dieser besonderen Stadt. Die Altstadt von Vilnius ist nicht nur in die UNESCO-Liste des Weltkulturerbes auf-genommen worden (übrigens auch die Kurische Nehrung), Vilnius hat auch eine international anerkannte Universität mit gut 22.000 Studenten. Entsprechend jung ist das Klientel, das sich durch diese Stadt bewegt. Und da das Wetter wie gesagt uns mehr als wohlgesonnen ist, wird auch das Auge verwöhnt, insbesondere was die besonders hübschen Litauerinnen angeht. Bei so viel Augenschmaus fällt es fast schwer, sich aufzuraffen, um weitere Eindrücke dieser Stadt zu bekommen. |
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Am Abend werden wir zufällig Zeuge, wie ein litauisches Fernsehteam einen Werbefilm mitten in der City vor der nationalen Philharmonie dreht. Alles geht so hautnah und ohne Berührungsängste ab, dass wir erstaunt sind. Da werden keine Absperrungen vorgenommen, da nimmt man Rücksicht auf ständig vorbeifahrende Autos, und an die Schauspieler und Schauspielerinnen kommt man so nah dran, wie es bei uns wohl kaum denkbar wäre. Auch geben sie uns bereitwillig Auskunft über ihre Arbeit, die sie hier zu später Stunde noch leisten. Man unterhält sich dann auf Englisch, die Sprache, mit der man heute in Litauen in den großen Städten überall weiterkommt. Deutsch sprechende Litauer sind hier doch schon eher die Ausnahme. |
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Wir
machen noch einen Bummel doch die malerische Altstadt bei Nacht und landen
spät abends in einer der vielen gemütlichen Altstadtkneipen,
wo wir mit einer deutsch-sprechenden Gruppe junger Leute zusammentreffen,
die durch Litauen wandern. Es stellt sich heraus, dass sie in Deutschland
nur gut 100 Kilometer von uns entfernt wohnen und wir sogar gemeinsame
Bekannte haben. Die Welt ist klein. |
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Am nächsten Tag fahren wir ohne Gepäck
durch die Stadt und ... unserer Priekuler Reisegruppe direkt in die
Arme - vor dem Palast des litauischen Präsidenten. Sie hat gerade
eine Führung und wir schließen uns für den Moment an.
Die Geschichte des Palastes geht zurück bis ins 14. Jahrhundert,
als sie nach der Christianisierung der Litauer gebaut wurde. Später
beherbergte sie Botschafter, Künstler, Offiziere - bis sie im Jahre
1995 zum Palast des litauischen Präsidenten wurde, vier Jahre nach
der Unabhängigkeit Litauens von der UdSSR. Stellvertretend
für alle die Kathedrale von Vilnius am Fuße des Gediminas
Hügels, das geistige und politische Zentrum Litauens. Sie wurde
1251 von König Mindaugas gebaut, nach seinem Übertritt zum
christlichen Glauben. Beeindruckend heute der riesige und sehr gepflegte
Vorplatz, auf dem wir uns sogar mit unseren Fahrrädern ein wenig
verloren vorkommen. |
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Der Weg führt
uns weiter in das wirklich interessante Bernsteinmuseum in der Šv.
Mykolo gatve 8 und schließlich nutzen wir den Rest des Nachmittags
zum Shoppen in den vielen modernen Läden der Stadt. Überall
werden wir freundlich und zuvorkommend bedient, und in vielen Fällen
lohnt sich ein Einkauf auch. Jedoch gibt es durchaus Artikel (wie zum
Beispiel Parfum), da macht es aus finanziellen Erwägungen keinen
Sinn, den wertvollen Stauraum unserer Fahrradtaschen damit zu belasten. |
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Vladas ist 31 Jahre alt, gerade Vater geworden
und hat vor ein paar Jahren im Osnabrücker Land eine landwirtschaftliche
Ausbildung absolviert. Dabei hat er in kürzester Zeit auch die deutsche
Sprache gelernt. Er spricht sie perfekt und bei so viel Talent ist uns
klar, dass dieser junge Mann in diesem aufstrebenden Land schnell Karriere
machen wird. So ist er in der Zwischenzeit Generalvertreter einer deutschen
Firma geworden, die in Litauen einen viel versprechenden Markt für
ihre landwirtschaftlichen Produkte sieht, zumal das Land ja soeben in
die EU aufgenommen wurde. Und Vladas ist im Gegensatz zu vielen alten
Litauern fest davon überzeugt, dass dieser Beitritt dem Land nur
Vorteile bietet. |
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Der
Aufenthalt in Vilnius geht zu Ende und die Zeit wird knapp. Um die Fähre
zurück nach Deutschland nicht zu versäumen, müssen wir
noch einmal mit dem Zug fahren. Dieser fährt zwar nach Riga, aber
wir müssen unsere Pläne fallen lassen, Lettland zu besuchen.
Um fünf Uhr in der Früh geht es also los, vorher hat man im
Hotel noch ein Frühstück für uns organisiert. Die Fahrt
mit dem Schnellzug ist wesentlich schwieriger als zuvor mit dem Regionalzug
von Kaunas nach Vilnius. Der Einstieg ist hoch, und wir bekommen unsere
Fahrräder nur mit viel Geschick in den engen Gängen untergebracht.
Dort sind sie ein unüber-windbares Hindernis für die übrigen
Passagiere und nur mit sehr viel Toleranz seitens der übrigen Fahrgäste
und des Zugpersonals erreichen wir am späten Vormittag Šiauliai. |
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Fotoshow |
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